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Wenn’s im Oktober friert und schneit, bringt der Jänner milde Zeit.

Das Wetterthema

herausgegeben vom Deutschen Wetterdienst am 21.10.2024

Wetter aktuell


OSCAR - Ein Hurricane läuft unter dem Radar


Eigentlich versprach das vergangene Wochenende unspektakulär zu
verlaufen in Sachen nordatlantischer Tropenstürme. Dies änderte sich
abrupt, als Fernerkundungsmessungen via Satelliten einen
Gewitterkomplex unter die Lupe nahmen und erst recht, als ein
Aufklärungsflugzeug der US-Amerikaner in den kleinen Wirbel flog. Wir
sprechen heute über Hurrikan OSCAR, den es laut Wettermodellen nicht
hätte geben sollen.



Das National Hurricane Center (NHC), eine Abteilung des Nationalen
Wetterdienstes der USA, überwacht den Nordatlantik hinsichtlich der
Bildung und Verlagerung von tropischen Stürmen. Am vergangenen
Samstag, den 19. Oktober 2024, deuteten zwei "X" auf der Karte auf
zwei Regionen hin, die unter Beobachtung standen, weil dort eine
erhöhte Gewitteraktivität vorhanden war. Beiden "Systemen" wurde eine
geringe bis mittlere Entwicklungschance zu einem tropischen Sturm
innerhalb der nächsten zwei Tage gegeben. Nur einige Stunden später
wurde kommuniziert, dass im Nordteil der Karibik nicht nur eine
tropische Depression oder ein tropischer Sturm, sondern ein Hurrikan
aktiv war und in Kürze Land bedrohte. Wie kam es zu dieser rasanten
Entwicklung?


Über den Ozeanen stehen uns Meteorologen nur wenige direkte Messungen
vor Ort zur Verfügung. Diese stammen von Schiffen oder Bojen. Eine
andere Datenquelle sind Satelliten, die die Region zum Teil rund um
die Uhr im Blick haben (geostationär) und zum anderen Teil die Erde
umkreisen (polarumlaufend) und dementsprechend nur im Abstand
mehrerer Stunden für eine bestimmte Region Daten liefern. Ein solcher
Überflug eines polarumlaufenden Satelliten sowie die Daten eines
geostationären Satelliten unter Tageslicht führten zu einer
Neubewertung des Gewitterkomplexes. Anders als bisher angenommen war
dies keine unorganisierte Zusammenballung von Schauern und Gewittern,
sondern in Kreisen angeordnete Konvektion. Dies war ein starker
Hinweis, dass ein geschlossenes Windfeld vorhanden war. Die Daten
deuteten nun auf ein Tief in Sturmstärke hin. Aus der geringen
Wahrscheinlichkeit wurde also ein tropischer Sturm, OSCAR.

Aufgrund der überraschenden Entwicklung wurde kurzfristig eine
Aufklärungsmission durch die NOAA Hurricane Hunters geflogen. Diese
fanden aber keinen tropischen Sturm, sondern einen Hurrikan mit einer
mittleren Windgeschwindigkeit von knapp 140 km/h vor. Nur wenige
Stunden nachdem OSCAR offiziell "geboren wurde", wurde er zum
Hurrikan hochgestuft. Diese Entwicklung war aber sehr wahrscheinlich
nur in unseren Daten und nicht in der Realität so abrupt. OSCAR war
recht sicher schon deutlich vor der offiziellen Hochstufung ein Sturm
bzw. Hurrikan.


Zusätzliche Brisanz gewann die plötzliche Hochstufung durch die Nähe
zu den Turks- und Caicosinseln nördlich von Haiti und der
Dominikanischen Republik. Einen Teil dieser Inseln überquerte OSCAR
auf seinem Weg nach Westen bzw. Südwesten und in der Nacht zum Montag
erreichte er den Osten Kubas. Von dort soll sich OSCAR, mittlerweile
zum tropischen Sturm abgeschwächt, in den kommenden Tagen auf
nordöstlicher Zugbahn erneut über Teile der Großen Antillen
hinwegbewegen.

Doch wie konnte OSCAR sich fast unbemerkt zum Hurrikan entwickeln?
Einer der beiden Hauptgründe wurde schon genannt: die dünne Datenlage
für die Region zu diesem Zeitpunkt. Ein anderer Grund war die Größe
von OSCAR. OSCAR war ein sehr kleiner Sturm und kleine Stürme sind
deutlich schwieriger zu detektieren. Zum Zeitpunkt, als die Hurricane
Hunter mit ihrem Flugzeug das Auge OSCARS durchflogen, war es kaum
größer als das rekordkleine Auge von Hurrikan WILMA (2005) und hatte
das kleinste Auge der diesjährigen Hurrikansaison. Eine Folge der
fehlenden Messdaten aus dieser Region war das Fehlen des Sturms in
den Wettermodellen. Die Qualität der Simulation von Wettermodellen
hängt sehr stark von der Qualität und Quantität der zur Verfügung
stehenden Messdaten zum Startpunkt des Modells ab. Die fehlenden
Hinweise durch die Wettermodelle waren sehr wahrscheinlich ein Grund
für die konservative Einschätzung des Systems durch das NHC.


Dieser Fall zeigt, dass es selbst im Jahr 2024 auf kurzer Zeitskala
zu größeren Überraschungen und Abweichungen zwischen der Realität und
den Wettermodellen kommen kann, wenn der Ist-Zustand in den Modellen
nur unzureichend erfasst wird.

MSc.-Met. Thore Hansen

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.10.2024

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