Wissenschaft Kompakt
Vor 20 Jahren: Das Münsterländer Schneechaos
Zwar gab es auch in der noch jungen Wintersaison 2025/26 den ersten
Wintereinbruch - sogar mit einer Glatteislage - zu verzeichnen, doch
all das ist kein Vergleich zur Wetterlage vor exakt 20 Jahren, als
ein Schneechaos das sonst so unwinterliche Münsterland heimsuchte.
Noch am Abend des 24.11.2005, also heute vor genau 20 Jahren, ahnte
im gesamten Münsterland niemand, dass binnen 24 Stunden
Wettergeschichte mit negativen Höhepunkten geschrieben wird. Der
Grund liegt in einer besonderen, gleichsam brisanten aber auf den
ersten Blick unscheinbaren Wetterlage: Das Sturmtief THORSTEN lag am
Abend des 24.11.2005 über dem südlichen Skandinavien und zog von dort
aus unter leichter Vertiefung auf die offene Nordsee, um mit einem
Kerndruck von unter 975 hPa am 25.11.2005 das Emsland zu erreichen.
Gleichzeitig führte es ein langsam okkludierendes Frontensystem in
den Westen und Norden Deutschlands, an dem kräftige und anhaltende
Niederschläge einsetzten, die vor allem am 25.11.2005 ihren Höhepunkt
fanden. Außerdem floss im Bereich und rückseitig der Front eine
maritime, ausreichend kalte Polarluft ein, die gerade so Schneefall
zuließ.
Während es am 24.11.2005 noch bei Tageshöchstwerten von bis zu +4
Grad leicht bis mäßig regnete ging dieser Regen bei langsam fallenden
Temperaturen am Tage darauf in mäßigen, teilwiese auch sehr
intensiven Nassschneefall über, was vor allem das Münsterland bis
nach Osnabrück betraf. Die Grenze zwischen Schnee, Schneeregen und
Regen war dabei teils scharf und nur sehr schwer vorhersagbar. Die
Besonderheit lag darin, dass überhaupt erst die hohe Intensität der
Niederschläge den Schneefall möglich machten, wir sprechen hier von
der Niederschlagsabkühlung und einsetzendem Isothermieschneefall. Der
Schnee war daher sehr feucht und enorm schwer.
Ebenso waren viele Bäume aufgrund eines milden Herbstes noch belaubt,
sodass sie perfekte Haftung boten und der Schnee hieran hängen blieb.
Gleichzeitig blieben Schnee und Eis bei einem kräftigen Südwestwind
auch an Hochspannungsleitungen haften.
Die Folgen dieser Wetterlage waren weitreichend und katastrophal: Auf
Autobahnen wie der A1 und der A31 ging gar nichts mehr, LKW und Autos
blieben stecken und ihre Fahrer mussten oft stundenlang in den
Fahrzeugen verharren, bevor sie gerettet wurden. Auch auf der Schiene
ging vom Münsterland über das Osnabrücker Land bis ins Tecklenburger
Land rein gar nichts mehr, da nicht selten abgerissene Oberleitungen
oder umgestürzte Bäume ein Weiterfahren unmöglich machten. Die
Schäden an der Vegetation waren verbreitet groß.
Besonders im Gedächtnis wird allerdings der großflächige Stromausfall
bleiben, der historische Züge annahm und als der größte seiner Art
seit der Nachkriegszeit in Deutschland gilt. Da viele
Hochspannungsmasten dieser enormen Schnee- und Eislast nicht
gewachsen waren, sind sie einfach zusammengebrochen und legten das
Stromnetz über weiten Teilen der genannten Regionen lahm. Teilweise
waren bis zu 250.000 Menschen davon betroffen, und das für bis zu
drei Tage. Auf einigen Gehöften fiel der Strom sogar für bis zu eine
Woche aus. Dieses Ausmaß war dann auch Hauptgrund dafür, dass noch am
25.11.2005 die Kreise Borken, Coesfeld und Steinfurt den
Katastrophenalarm ausriefen. Feuerwehren, THW und alle anderen
Rettungsorganisationen waren im Dauereinsatz gefordert.
Erst in der Nacht und am Tage des 26.11.2005 beruhigte sich das
Wettergeschehen langsam, und bis dahin waren lokal enorme
Schneemengen zusammengekommen:
Tecklenburg meldete am Morgen des 26.11.2005 eine Gesamtschneehöhe
von 45 cm, gefolgt von Legden mit 36cm und Westerkappeln mit 35cm.
Dabei ist zu beachten, dass es zuvor noch grasgrün war und der meiste
Schnee, rund 30cm davon, sogar in weniger als 12 Stunden fiel. Manche
Beobachter schilderten sogar lokale Extreme von über einem halben
Meter!
Auch im Bergischen Land gab es einen massiven Neuschneezuwachs auf
insgesamt 30-50cm, allerdings war der Schnee hier nicht ganz so nass
und die Region selbst ist etwas häufiger mit solchen Mengen
konfrontiert, während sie über dem Münsterland eine absolute Ausnahme
darstellen - besonders im November.
Vor allem dieses Ereignis, das einen Schaden von rund 100 Millionen
Euro hervorrief, legte dann den Grundstein für massive Sanierungen
des Stromnetzes, die in den Jahren danach erfolgten. Dennoch wird
dieses Ereignis bei den betroffenen Menschen sicherlich bis heute in
Erinnerung geblieben sein und weiterhin bleiben.
M.Sc.-Met. Oliver Reuter
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.11.2025
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